(Erster Artikel der Serie „Die Macht der Glaubenssätze in der Transformation“)
Seit über zwei Jahrzehnten begleiten wir Unternehmen dabei, strategische Neuausrichtungen, kulturelle Umbrüche oder komplexe Restrukturierungen erfolgreich zu gestalten. Dabei zeigt sich immer wieder ein zentraler Aspekt, der weit über organisatorische Prozesse, eingesetzte Methoden oder technische Innovationen hinausreicht: die inneren Überzeugungen der Menschen im Unternehmen – ihre Glaubenssätze. Diese bestimmen maßgeblich mit, wie Teams auf Herausforderungen reagieren, wie Führungskräfte Entscheidungen treffen und wie Mitarbeitende mit Unsicherheit oder Widerstand umgehen.
Warum sind Glaubenssätze so einflussreich?
Die Psychologie beschreibt Glaubenssätze (etwa in der kognitiven Theorie nach Beck) als tief verankerte Muster, die unsere Wahrnehmung filtern, unsere Interpretationen von Situationen leiten und so auch unsere Handlungen formen. In Transformationsprojekten können solche Überzeugungen wie ein „unsichtbarer Kompass“ wirken. Glaubt ein Führungsteam beispielsweise fest daran, dass Veränderungen prinzipiell nur scheitern, wird es – oft unbewusst – Indizien suchen, die dieses Scheitern vorwegnehmen. Dadurch entstehen selbsterfüllende Prophezeiungen: Aus Angst vor Misserfolg werden vorschnell Kompromisse eingegangen, mutige Schritte bleiben aus, die Kommunikation wirkt verhalten – und am Ende scheint sich die ursprüngliche Einschätzung zu bestätigen.
Umgekehrt kann der Glaube an die Chance, die in einer Transformation steckt, Teams und Organisationen beflügeln. Wenn die kollektive Grundhaltung positiv auf Transformationsprozesse blickt, dann werden Widerstände als normale Begleiterscheinungen gesehen, die sich mit Offenheit und konstruktivem Dialog überwinden lassen. Aus diesem positiven Selbstverständnis heraus entsteht eine höhere Lernbereitschaft, eine größere Experimentierfreude und ein stärkeres Commitment, wirklich Neues zu wagen.
Die Wirkung auf Teams und Kultur
Glaubenssätze beeinflussen mitunter nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“ der Zusammenarbeit. In Beratungsprojekten begegnen wir zum Beispiel Teams, in denen die Überzeugung herrscht, dass Innovationen nur „von oben“ initiiert werden können. Dies nimmt den Mitarbeitenden das Gefühl von Gestaltungsmacht und führt dazu, dass potenzielle Ideen im Keim erstickt werden. Ebenso erleben wir in Unternehmen fachlich geprägte Glaubenssätze wie „Unsere Kunden wollen nicht digital bestellen“, die oft mehr über die eigene Haltung zu neuen Vertriebskanälen aussagen, als über reale Kundenwünsche. Durch das Hinterfragen solcher Überzeugungen kann sich hingegen ein Mindset etablieren, in dem alle Ideen zählen, Innovation gemeinschaftlich getragen wird und sich neue Lösungsmöglichkeiten ergeben.
Das Potenzial für Beschleunigung oder Blockade
Ob eine Transformation ins Stocken gerät oder Fahrt aufnimmt, hängt zu einem großen Teil von diesen unsichtbaren Überzeugungen ab. Ein Vorhaben kann methodisch perfekt konzipiert sein – herrscht zum Beispiel im Führungskreis aber der Glaubenssatz „Transformation ist immer langwierig und kompliziert“, so fehlt oft der Mut, beherzt voranzugehen. Ebenso kann ein wohlklingendes Leitbild ins Leere laufen, wenn im Unternehmen tief verankert ist: „Das haben wir immer schon so gemacht.“ Auch Glaubenssätze wie „Ein gutes Produkt braucht kein Marketing“ oder „Ein*e CFO sieht in Veränderung keinen ROI“ können dazu führen, dass Unternehmen Chancen verpassen und notwendige Modernisierungen hinauszögern.
Umgekehrt kann das Bewusstsein um die Macht von Glaubenssätzen katalytisch wirken. Wird erkannt, dass bestimmte Überzeugungen den Wandel blockieren, können gezielte Interventionen – etwa Reflexionsrunden, strategisch platzierte Kommunikation oder moderierte Dialogformate – helfen, neue, konstruktivere Denkweisen zu etablieren. Auf diese Weise wird aus potenzieller Blockade echte Beschleunigung.
Unterschiedliche Typen von Glaubenssätzen – ein erster Ausblick
In unserer Praxis treffen wir immer wieder auf verschiedene Typen von Glaubenssätzen, die Transformationsprozesse prägen. Einige fokussieren auf Zeit und Ausdauer („Transformation braucht Geduld und Zeit“), andere betonen Führung und Methodik („Erfolgsfaktoren für Transformation sind gute Führung, Durchhaltevermögen und Methodik“) oder adressieren den Umgang mit Unsicherheit („Es bleibt ungewiss, ob das Neue wirklich besser ist“). Wiederum andere drehen sich um das Festhalten am Bestehenden („Das haben wir immer schon so gemacht“) oder rücken die Bedeutung von Kommunikation in den Vordergrund („Das Wichtigste bei einem Transformationsprozess ist Kommunikation“).
Darüber hinaus finden sich fachlich ausgerichtete Überzeugungen, die C-Level-Verantwortliche oder Produktmanagerinnen ansprechen, etwa „Unsere Kundinnen wollen nicht digital bestellen“ oder „Ein gutes Produkt verkauft sich von selbst“. Diese Beispiele verdeutlichen, wie unterschiedlich Glaubenssätze sein können und wie breit ihr Wirkungsspektrum ist: Sie können hinderlich sein oder als Motor für echte Erneuerung dienen.
Glaubenssätze konstruktiv nutzen – ein Ausblick auf die nächsten Artikel
Die gute Nachricht: Als Beraterinnen und Berater haben wir zahlreiche erprobte Ansätze, um mit diesen Glaubenssätzen konstruktiv umzugehen. Denn wer erkennt, dass bestimmte Überzeugungen den Wandel blockieren, kann durch zielgerichtete Interventionen, Reflexionsräume und Dialogformate dazu beitragen, neue, hilfreiche Denkweisen zu etablieren. Diese Artikelserie möchte dazu einen Anstoß liefern.
In den kommenden Beiträgen unserer Serie werden wir darauf eingehen, wie sich Glaubenssätze bewusst verändern, systematisch nutzen oder in ihrer ganzen Vielfalt verstehen lassen. Wir zeigen auf, welche Methoden sich in der Praxis bewährt haben, um bestehende Denkmuster zu hinterfragen, neue Überzeugungen einzuführen oder die Kraft positiv wirkender Glaubenssätze für die eigene Transformationsarbeit einzusetzen.
Der Auftakt zu einer vertieften Auseinandersetzung
Dieser erste Artikel soll verdeutlichen, wie wirkmächtig innere Überzeugungen in Transformationsprozessen sind. Sie können bremsen oder beschleunigen, mutlos machen oder beflügeln – und sie lassen sich konstruktiv gestalten. Mit dem Bewusstsein dafür lässt sich die Kraft der Glaubenssätze strategisch nutzen, um die Energie für den Wandel zu erhöhen und die Widerstandskraft gegenüber Veränderungen zu verringern. In den folgenden Artikeln werden wir genauer untersuchen, wie man diese inneren Überzeugungen aktiv formt, welche Typen es gibt und wie man sie gezielt für erfolgreiche Transformationen einsetzen kann.
Der nächste Artikel dieser Serie erscheint Anfang Januar 2025.